Raus I
Wir sitzen bei Chef zu Hause im Wohnzimmer und sprechen mal wieder davon, wie schwierig es ist, mal am Stück etwas geschrieben zu kriegen (beispielsweise eine Dissertation), weil man ständig von anderen Dingen abgelenkt werde (beispielsweise von Lohnarbeit und sozialen Kontakten). Und dass man eigentlich mal „komplett raus“ müsse, um „in Ruhe schreiben“ zu können.
Während die anderen über den Forschungsgegenstand einer meiner Doktorschwestern sprechen, fange ich nebenbei an, auf Urlaubsguru.de nach billigen all inclusive getaways in den Semesterferien zu suchen. Noch vor dem rituellen Übergang von Forschung zu Rotwein habe ich drei Wochen Hotel mit Frühstück in einem Touristenort am Roten Meer für 330,-€ gebucht. Im Februar mache ich mich davon – selbstverständlich wieder heulend.
Drei Wochen hocke ich dann im Touri-Disneyland El Gouna und mache nichts anderes als an meiner Diss zu arbeiten und im roten Meer rumzuschnorcheln. Es ist sehr seltsam, sehr einsam und irgendwie grandios. Morgens stehe ich um 7 auf, um auf der verzweifelten Suche nach Bewegung über den Golfplatz des Mövenpick-Hotels zu joggen, der von zahllosen Angestellten in weißen Uniformen mit Abwasser gesprengt wird. Danach dusche ich und trage dann meine Interviewtranskripte und Feldnotizen in den Frühstückssaal. Die Mitarbeiter des Hotels lassen mich dort immer bis zum Abbau des Buffets sitzen. Irgendwann in Woche 2 stellt mir der Oberkellner grinsend einen größeren Kaffeebecher hin, damit ich nicht so oft zur Kaffeemaschine laufen muss beim Transkripteanalysieren.

