Promotionskolloqium

Mein Promotionskolloquium fand dann letzten Endes am 10. August 2020 statt, neun Monate nach Abgabe der Dissertation. Auch wenn es in der Promotionsordnung heißt, das Kolloquium sei öffentlich, hat in unserem Fach seit Anbeginn der Zeiten niemand Zuschauer*innen in seine Prüfung mitgenommen. (Ausgenommen die Person, die ihren Ehemann mitnahm, der anschließend sehr wütend und verstört gewesen war.) Kein*e Doktorand*in weiß deshalb, was im Promotionskolloquium eigentlich passiert. Fragt man die Professor*innen während des Doktorand*innenkolloquiums danach, lachen sie kurz, rollen mit den Augen und versichern, dass es sich um ein „Fachgespräch auf Augenhöhe“ handele, um das wir uns keine Sorgen machen sollten.
Ich hatte geplant, alle meine Doktorgeschwister, -cousins und -cousinen einzuladen, um den ewigen Mythos des Promotionskolloquiums zu zerstören. Dann kam COVID-19 und ich konnte froh sein, dass es zu dieser Zeit überhaupt möglich war, das Kolloquium in physischer Präsenz, d.h. vier Personen in einem Raum für 30 verteilt, stattfinden zu lassen. Es war einer der heißesten Tage des Jahres und eine Herzenskollegin lieh mir ihren Standventilator.
Ich trage den Ventilator und mich selber zum Seminarraum und will mich dort auf einen der fünf markierten Plätze im Raum setzen, nämlich auf den neben Doktormutter. Sie schickt mich statt dessen an den Platz am Kopfende der Tischreihe, den Platz, an dem normaler Weise die Person sitzt, die die Sitzung leitet. Auf dem Tisch ist sogar ein Telefon festgeschraubt. Telefonjoker gibt man mir keinen.
Chef/Doktorvater hatte gesagt, die Prüfungskommission wolle mich nicht nochmal die eingereichten Thesen von mir mündlich vorgetragen hören. Deshalb habe ich die auch nicht als Vortrag vorbereitet. Das erste, was der Vorsitzende der Prüfungskommission tut, ist, mich darum zu bitten, jede meiner Thesen doch bitte in einem maximal zehnminütigen Vortrag noch einmal vorzutragen. Ich schwitze trotz Ventilator stark.
Hinterher sagt Doktormutter, wie seltsam die ganze Situation doch gewesen sei, weil wir ja wegen COVID so weit voneinander entfernt sitzen mussten. „Fast wie eine Prüfungssituation“ sei das ganze gewesen. Ich weise sie darauf hin, dass das gerade der mündliche Prüfungsteil meiner Promotion – der in meinem Leben bisher größten formellen Prüfung – gewesen sei.