Dr. phil.
Seitdem meine Dissertation online über den Publikationsdienst der Uni veröffentlicht ist, darf ich mich Doktor (phil.) nennen. Das mache ich tatsächlich nur selten, eigentlich nur im Footer meiner Arbeits-E-Mails und als ich neulich mal einen Strafzettel bezahlen musste. Andere Personen, die auch an Unis arbeiten, sprechen mich allerdings darauf an und so tauche ich in diversen Projektbeschreibungen und Veranstaltungsankündigungen als Dr. auf. Manchmal entschuldigt sich jemand, wenn sie/er das „Dr.“ vergessen hat.
Da ich nach wie vor keine akademische Karriere in Form einer Professur anstrebe, war meine Promotion Karriere-technisch betrachtet bisher recht sinnlos. Das verhält sich bei Personen, die eine Professur anstreben natürlich ganz anders. (Vielleicht macht das dann auch die Zeit der Promotion weniger scheiße; darüber kann ich leider nichts sagen.)
Ansonsten hat sich mein Leben nur insofern verändert, dass mit der Beendigung dieser Phase ein großer Brocken aus schlechtem Gewissen, Angst und Schuld aus meinem Leben raus ist. Dass ich mir diesen Brocken selbst aufgehalst hatte, ist mir völlig klar. Scheiße war es trotzdem. Ich habe viel gelernt in der Zeit, in der ich promoviert habe. Ich habe selbst empirisch gearbeitet, geforscht und viel zu viele Texte anderer Akademiker*innen gelesen. Ich habe viel über Sprache und noch viel mehr über Gesellschaft nachgedacht. Ich habe Aussagen Anderer in detailliertester Kleinstarbeit durchanalysiert. Ich habe ein Buch von 335 Seiten geschrieben, das höchstwahrscheinlich fast niemand jemals lesen wird.
Was meinen Selbstwert angeht, konnte dieser überraschender Weise auch durch das Erlangen eines Doktortitels nicht endlich mal hergestellt werden. Das zeigt schon die Note magna com laude, die belegt, dass meine Arbeit nicht herausragend, sondern nur sehr gut ist. Was wiederum heißt, dass ich nicht herausragend bin, sondern allenfalls sehr gut. Was dann wiederum jede Ablehnung eines eingereichten Vortrags- oder Artikel-Abstracts, jede Absage bei einem Bewerbungsverfahren erklärt.