Doktoreltern

Eines der ersten Dinge, die unser Chef uns – nach dem „du“ – anbot, war bei ihm zu promovieren. Offenbar machte man das als wissenschaftliche Mitarbeiterin so.

Erst später wurde mir klar, dass umgekehrt Menschen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen arbeiten, um promovieren zu können. Die wollen also zuerst promovieren, und um während dessen ihr Essen bezahlen zu können, nehmen sie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an. Die ist dann fast immer an dem Lehrstuhl der Betreuerin der Promotion. Und schwupps, findet man sich in einer awkward Situation wieder: Meine Chefin, die Person, die einerseits auf meine Leistung in Form von Lohnarbeit angewiesen ist und von der andererseits abhängt, ob mein auf [insert beliebigen Zeitraum zwischen 6 Monaten und 6 Jahren] befristeter Vertrag verlängert wird, ist gleichzeitig die Person, an die ich mich wenden soll, wenn ich Schwierigkeiten bei meiner Promotion habe. Wenn es gut läuft, hilft mir diese Person — da meine Betreuerin — dann, mich aus dieser misslichen Lage herauszulesen, -zu schreiben oder -zu weinen. Am Ende wird sie allerdings auch eine der beiden Personen sein, die das Resultat meiner Promotion, d.h. meine Dissertationschrift bewerten und mich in einer mündlichen Prüfung (dem Promotionskolloquium) darauf prüfen, ob ich auch noch zu drei anderen Sachen Bescheid weiß. Klingt nach einer awkward Abhängigkeitsposition – jup, ist es auch! Wie awkward genau das Ganze wird, hängt in erster Linie von dir und deiner Betreuerin ab.