Wie mir mein Promotionsthema vor die Füße fiel
Im Sommer 2013 war ich mal wieder für das Drittmittelprojekt an einer Weiterbildungsinstititution irgendwo in Deutschland unterwegs. Bei einer Hospitation in einem Nachqualifizierungskurs für Bäckereifachverkäufer*innen beobachtete ich, dass die Dozentin ein Unterrichtsgespräch mit zwei der fünf Teilnehmenden führte, während die übrigen drei in ihren Kursunterlagen blätterten und mehr oder weniger verzweifelt versuchten, dem Inhalt des Gespräches zu folgenden. Die Teilnehmenden, mit denen die Dozentin das Unterrichtsgespräch führte, wirkten auf mich als sprächen sie Deutsch als L1. Dass die anderen drei Teilnehmenden Deutschlernende waren, meinte ich daran zu erkennen, dass ihre Äußerungen – sofern sie mal die Möglichkeit bekamen, welche zu tätigen – langsam und zögerlich vortrugen und diese z.T. ungrammatisch klangen. Für die Planung und Formulierung ihrer Äußerungen benötigten diese drei Teilnehmenden Zeit, die ihnen allerdings in der Unterrichtssituation nicht zur Verfügung stand. Während sie mithilfe ihrer Kursunterlagen angestrengt versuchten, dem Unterrichtsgespräch zu folgen, war eine aktive Teilnahme an diesem für sie kaum möglich. Die Dozentin wirkte angesichts der verlangsamten Unterrichtsinteraktion ungeduldig, hilflos bei auftauchenden Verständnisproblem, ahnungslos ob der sprachlich-didaktischen Aufbereitung der Unterrichtsinhalte. Die Konsequenz war, dass sie ihren Unterricht mit den beiden Teilnehmenden abhielt, die in der Lage waren, so mit ihr zu kommunizieren, wie sie es gewohnt war. Die Deutschlernenden unter den Kursteilnehmenden blieben derweil außen vor. Noch während der Hospitation begann ich mich zu fragen, wie die am Unterricht Beteiligten die Situation jeweils wohl wahrnehmen mochten. Versuchten die Kursteilnehmenden wirklich verzweifelt, den Redebeiträgen der Anderen zu folgen oder hatten sie diese längst ausgeblendet und versuchten, sich die Inhalte des Kurses aus den Kursmaterialien zu erschließen? Wie ging es der Dozentin? Bemerkte sie, dass sie die Hälfte der Kursteilnehmenden ´abgehängt` hatte, und, falls ja: Interessierte sie das? Trafen meine Beobachtungen ob ihrer Unsicherheit im Umgang mit den sprachlichen Voraussetzungen der deutschlernenden Teilnehmenden zu? Im Zug nach Hause beschloss ich, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Verdammte Scheiße, ich hatte ein Promotionsprojekt.