Kategorie: Allgemein

Prioritäten

Da der Vertrag über meine Lohnarbeit keine Zeitanteile für die Arbeit an meinem Promotionsprojekt enthält, muss ich in meiner Freizeit promovieren. Ich denke, für Personen, die weder Freunde noch Hobbies haben, müsste das ganz gut machbar sein. Hat man allerdings zumindest eins von beidem, geschweige auch noch Kinder und/oder romantische Beziehungen, wird es tricky. Mich…

Offene Türen stehen offen

Zu promovieren war nie mein Plan gewesen. Auch nachdem ich mein Masterstudium abgeschlossen hatte – irgendwann wieder an die Uni zurückzukehren, war nicht der Plan gewesen. Und trotzdem saß ich dann nicht viel mehr als ein halbes Jahr nach meinem Abschluss wieder dort. Aber nicht, um zu promovieren, sondern als Mitarbeiterin in einem Drittmittelprojekt. Mein…

Aurélie

Besagtes Drittmittelprojekt bestand aus dem Chef und zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen – Aurélie und mir. Während ich mich die Langeweile in der Sprachschule und die Aussicht auf 400,- mehr monatlich an die Uni zurückgetrieben hatten, war Aurélie niemals weg gewesen. Sie war gerade unter riesengroßem Zeitstress mit ihrem Master fertig geworden, um im Drittmittelprojekt eingestellt werden…

Doktoreltern

Eines der ersten Dinge, die unser Chef uns – nach dem „du“ – anbot, war bei ihm zu promovieren. Offenbar machte man das als wissenschaftliche Mitarbeiterin so. Erst später wurde mir klar, dass umgekehrt Menschen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen arbeiten, um promovieren zu können. Die wollen also zuerst promovieren, und um während dessen ihr Essen bezahlen…

Wie mir mein Promotionsthema vor die Füße fiel

Im Sommer 2013 war ich mal wieder für das Drittmittelprojekt an einer Weiterbildungsinstititution irgendwo in Deutschland unterwegs. Bei einer Hospitation in einem Nachqualifizierungskurs für Bäckereifachverkäufer*innen beobachtete ich, dass die Dozentin ein Unterrichtsgespräch mit zwei der fünf Teilnehmenden führte, während die übrigen drei in ihren Kursunterlagen blätterten und mehr oder weniger verzweifelt versuchten, dem Inhalt des…

Es besser wissen

Bevor Aurélie und ich überhaupt fangen zu promovieren, fragen wir mal lieber jemanden, der schon seit einigen fünf Jahren am Promovieren ist, beim Mittagsessen in der Mensa, wie das denn so ist. „Die Wochenenden kann man komplett vergessen, wenn man promoviert.“ sagt die Person übers Plastiktablett. Während Aurélie und ich dazu brav nicken, schmieden wir…

Es gibt Wichtigeres

Auf meine Anfrage bei der Institution bekomme ich die Möglichkeit, einen Kurs zu begleiten. Man bittet mich, die 300km anzureisen, um mein Promotionsprojekt bei einem Treffen den Kursverantwortlichen vorzustellen. Meine ausgearbeitete PowerPoint plus Handout kommt dann letzten Endes nicht zum Einsatz, da es bei dem Treffen viele wesentlich wichtigere Tagesordnungspunkte gibt und, als diese dann…

Ethnographie

Man bietet mir an, einen ganzen Kurs zu begleiten. Ich sage zu und überlege erst danach, wie ich aus der ganzen Sache überhaupt Daten rauskriegen kann. Jemand sagt mir, dass dieundie Interviewform dafür gut sei und legt mir nahe, das auch zu tun. – Okay, mache ich das halt. Ich möchte Audioaufnahmen vom Unterricht machen,…

150% geben

Im Wintersemester gebe ich sechs Seminare, von denen jeweils vier und zwei die gleichen Inhalte haben, da Chef/Doktorvater und ich der Meinung gewesen waren, dass mich das in der Seminarvorbereitung entlasten würde. Tut es auch, meiner mentalen Gesundheit ist es allerdings überhaupt nicht zuträglich, vier Mal die Woche einer jeweils anderen Studierendengruppe genau das Gleiche…

100% geben

Chef/Doktorvater ruft mich an und bittet mich im verzweifelten Unterton, im kommenden Semester zusätzlich zu meiner 50%LfbA-Stelle 50% einer anderen LfbA-Stelle zu vertreten. „Für die Diss wirst du in der Zeit wahrscheinlich nichts schaffen.“ Ich höre die Sorge um die drei Seminare in der Stimme des Chefs, stelle mir das zusätzliche Geld vor, mit dem…

Schäfchen im Trockenen

Als das Drittmittelprojekt nach anderthalb Jahren zuende ist, bringt Chef sein Schäfchen, also Aurélie und mich, ins Trockene. Aurélie kriegt für die nächsten viereinhalb Jahre eine schöne 50%/20 Stunden/Woche-Promotionsstelle und ich erstmal eine 50%-Stelle als sogenannte Lehrkraft für besondere Aufgaben (LfbA). Als sogenannte Hochdeputatsstelle beinhaltet das Zeitkontingent einer LfbA-Stelle an der Uni ausschließlich Lehre. Zeit…

EthnoDoks

Im Sommer nehme ich an einem selbstorganisierten Workshop von Doktorand*innen teil, die alle ethnographisch arbeiten. Ich lerne, dass das woanders okay und auch Wissenschaft ist. Ich lerne, dass die Regeln des Fachbereiches der Fakultät an meiner Uni nicht universell sind. Das macht mich froh und verwirrt mich. Woran soll ich mich denn dann jetzt halten?…

Doktorgeschwister

Man promoviert nicht alleine. Ich jedenfalls nicht und ich wünsche es auch niemandem sonst. Es ist wichtig, Doktorgeschwister, -cousinen, -cousins und andere Leute um sich zu haben, die auch gerade promovieren. Man kann einander supporten und gegenchecken, ob man gerade komplett daneben ist oder ´nur` normal für diese Situation. Meine Doktorschwestern hatten zum Beispiel eine…

Raus I

Wir sitzen bei Chef zu Hause im Wohnzimmer und sprechen mal wieder davon, wie schwierig es ist, mal am Stück etwas geschrieben zu kriegen (beispielsweise eine Dissertation), weil man ständig von anderen Dingen abgelenkt werde (beispielsweise von Lohnarbeit und sozialen Kontakten). Und dass man eigentlich mal „komplett raus“ müsse, um „in Ruhe schreiben“ zu können.…

Raus II & III

Weil das so gut klappt mit dem „Komplett raus“, mache ich das in den Sommern in den Jahren 5 und 6 auch. Ich miete mich in das Häuschen von Bekannten in den Bergen West-Kretas ein. Jeden Tag stehe ich um 7 auf, frühstücke, mache ein bisschen Krafttraining und hocke dann auf der ausrangierten Schulbank unter…

Der abduktive Blitz

Wann er einschlägt: Bei mir beim Zähneputzen. Bei meiner Doktormutter unter der Dusche oder wenn sie mit dem Hund rausgeht. Der abduktive Blitz kann allerdings nur einschlagen, wenn dein Kopf eh schon den ganzen Tag an dem Thema kaut. Wenn du dann mal einen Moment hast, in dem du eben nicht am Rechner sitzt, ist…

Ohrwurm

Das Lied von der Promotion hat einen recht eingängigen Refrain. Er lautet: „… und wann gibst du ab?“ und wird in immer kleiner werdenden Abständen von verschiedenen Mitmenschen gesungen wie von einem griechischen Chor. Zuverlässig stimmt eine*r der Professor*innen den Refrain am Ende deines allsemesterlichen Vortrages im Doktorand*innenkolloquium an.

Promotionsabschlusstipendium

Da die sechs Jahre, die ich an der Uni unpromoviert beschäftigt sein darf, im Frühling 2019 um sind, bewerbe ich mich im Herbst 2018 auf ein Promotionsabschlussstipendium. Die Bewerbung wird abgelehnt. Doktormutter rät mir nachzufragen, warum. Man sagt mir, ich hätte zu wenig Veröffentlichungen und der Text über mein Projekt sei für Laien nicht verständlich.…

Das wird alles einmal dir gehören

Am 12. Dezember 2019 gebe ich um 11:30 Uhr meine Dissertationsschrift im Dekanatssekretariat ab. Ich weine diesmal ausnahmsweise mal nicht. Stattdessen belästige ich alle anwesenden Kolleg*innen damit, dass ich in jedes einzelne Büro eindringe, auf dem Handy „The Circle of Life“ aus König der Löwen abspiele und an der entsprechenden Stelle die Dissertation wie den…

Promotionskolloqium

Mein Promotionskolloquium fand dann letzten Endes am 10. August 2020 statt, neun Monate nach Abgabe der Dissertation. Auch wenn es in der Promotionsordnung heißt, das Kolloquium sei öffentlich, hat in unserem Fach seit Anbeginn der Zeiten niemand Zuschauer*innen in seine Prüfung mitgenommen. (Ausgenommen die Person, die ihren Ehemann mitnahm, der anschließend sehr wütend und verstört…

Veröffentlichung der Dissertation

Jedenfalls in dem Fachbereich, in dem ich promoviert habe, ist es nach wie vor cool, seine Dissertation als Papierbuch in einem in Fachkreisen möglichst hoch angesehenen Verlag zu veröffentlichen. Dass die Verfasserin der Dissertation dafür Geld bezahlen muss, wusste ich zu Beginn meiner Promotion nicht. Chef/Doktorvater bietet mir an, in der Reihe zu veröffentlichen, die…

Dr. phil.

Seitdem meine Dissertation online über den Publikationsdienst der Uni veröffentlicht ist, darf ich mich Doktor (phil.) nennen. Das mache ich tatsächlich nur selten, eigentlich nur im Footer meiner Arbeits-E-Mails und als ich neulich mal einen Strafzettel bezahlen musste. Andere Personen, die auch an Unis arbeiten, sprechen mich allerdings darauf an und so tauche ich in…